foto1 foto2 foto3 foto4 foto5


 

Vorgeschichte

Den Grundstein für die Piaggiowerke, welche einmal mit der Vespa Weltruhm erlangen werden, legte 1884 Rinaldo Piaggio, indem er sich mit einem einfachen Unternehmen selbstständig machte. Er richtete in Sestri Ponente, bei Genua, eine einfache Werkstatt für Holzverarbeitung ein und spezialisierte sich im Laufe der Zeit auf Inneneinrichtung für Schiffe. Zu seinen Kunden zählten die italienische Kriegsmarine und die Küstenwache. Aber auch bekannte Passagierdampfer wie die „Regina Elena“, die „Leonardo da Vinci“ oder deutsche Schiffe fertigte Piaggio an. Sein Betrieb entwickelte sich schnell weiter und kurze Zeit später rüstete er auf die Produktion von Eisenbahnwaggons um und gehörte damit zu den ersten Italiens überhaupt. Im Piaggiomuseum in Pontedera steht eine komplett von Piaggio gebaute Straßenbahn, aber auch Gondeln für Seilbahnen standen im Programm. 1901 erweiterte Enrico Piaggio seinen Betrieb, indem er in Finale Ligure bei Savona ein weiteres Betriebsgelände kaufte, welches zunächst auch für Eisenbahnbau genutzt wurde. Als Neuheit standen ab 1915 in diesem Werk Flugzeug- Reparaturen auf dem Arbeitsplan. Um diese Tätigkeit weiter ausdehnen zu können, kaufte Piaggio 1924 ein Werk im Industriestädtchen Pontedera in der Toskana bei Pisa. Damit realisierte er den Lizenzbau von Flugzeugen, welchen er dann in die eigene Produktion umstellte. Die Teile dieser Flugzeuge bildeten nach dem Krieg 1946 die Grundlage für den Bau des MP5, dem ersten Prototyp der Vespa. Piaggio baute neben normalen Flugzeugen auch Flugboote, wofür er zwischen 1928 und 1930 seinen Zweig in Finale Ligure in das erste industrielle Forschungszentrum Italiens ausbaute. Als 1938 Rinaldo Piaggio stirbt, übernimmt sein Sohn Enrico die Leitung des Unternehmens.

 

Mussolini und der Krieg

Mit Ausbruch des zweiten Weltkrieges begann das dunkle Kapitel in der Geschichte des Unternehmens Piaggio. Doch genau dieser Krieg mit all seinen Schrecken sollte der Auslöser für die Entwicklung der Vespa sein. 1935 beginnt Benito Mussolini mit seinen lange geplanten Eroberungszügen in Abessinien. 1939 besetzt er Albanien und 1940 greift er Griechenland an. Für all diese Angriffe und seine Eroberungspläne hatte Mussolini die Piaggiowerke fest eingeplant. So baute Piaggio in seinem Auftrag den P.108 Bomber, welcher im November 1939 seinen ersten Flug startete. Dieser extrem schwer bewaffnete Bomber, war mit seinen acht Maschinengewehren mit je 12,7mm Kaliber und 3500kg Bomben sogar den amerikanischen Bombern überlegen. Mussolini setze ihn erfolgreich in den oben genannten Gebieten ein. Als dann im Juli 1943 die Alliierten auf Sizilien landeten, begann Mussolinis Macht zu schrumpfen. Seine Widerstandsversuche waren zwecklos. Im April 1945 wir er gefangen genommen und getötet.

 

Die Vespa aus den Resten des Krieges

Um Mussolinis Macht zu schwächen wurden die 150.000 Quadratmeter großen Piaggiowerke von den Amerikanern fast vollständig zerstört. Piaggio hatte einen kleinen Teil seiner Maschinen nach Norditalien retten können, jedoch ein Großteil war davon unbrauchbar geworden. Die Italiener bekamen im Gegensatz zu den Deutschen keine Hilfe beim Wideraufbau, so dass sie ganz auf sich gestellt waren. Die Zahl der Beschäftigten bei Piaggio hatte damals 12.000 betragen und diese Leute waren jetzt arbeitslos. So versucht man krampfhaft eine Produktion wieder aufnehmen zu können. Allerdings war die Produktion von Kriegsgütern verboten worden und so musste eine neue Idee her. Ein Krieg führt immer eine Zerstörung der Transportwege mit sich, um die Versorgung der feindlichen Truppen zu unterbinden. So war dies auch in Italien geschehen, die Eisenbahnnetze und Straßen waren zerstört. Piaggio wollte die Schwäche der zerstörten Automobilindustrie ausnutzen und so ein billiges und einfaches Fahrzeug für alle schaffen. Dafür war ein Zweirad wohl am besten geeignet. Diese Idee musste so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden. Aus Metallresten, Schubkarrenreifen, einem Motorradlenker und einem Flugzeuganlassermotor entwickelte sein Ingenieur Renzo Spolti den ersten Prototyp. Als Vorlage dienten die von den Alliierten eingesetzten Minimotorräder, den „Welbike“, auf die Piaggio schon vorher sein Augenmerk gesetzt hatte. Dieser Prototyp mit der Bezeichnung MP 5, wurde nach der Walt Disney Figur „Donald Duck“, „Paperino“ benannt. Paperino wies allerdings noch keine der später für die Vespa markanten Formen auf. Der Motor saß klassisch wie beim Motorrad in der Mitte und verfügte über einen Sekundärantrieb.
Enrico Piaggio war unzufrieden mit diesem ersten Prototyp, denn er entsprach noch nicht seinen Vorstellungen. Deshalb wendete er sich an seinen fähigsten Ingenieur Corradino d’Ascanio. D’Ascanio, der sich vorher mit der Konstruktion von Hubschraubern und Flugzeugen beschäftigt hatte, betrat bei der Entwicklung des zweiten Prototypen Neuland. Er versuchte das Gesamtkonzept so einfach wie möglich zu gestalten. So entwickelte er in nur 7 Wochen ein Fahrzeug mit einem komplett neuen Zweitaktmotor, der auf der rechten Seite an einer Einarmschwinge befestigt war. Dadurch blieb in der Fahrzeugmitte, im Gegensatz zu Motorrädern, ein tiefgezogener Durchstieg, der ein einfaches Einsteigen für Mann und Frau ermöglichte. Des Weiteren wurde ein sekundärer Antrieb mit z.B. einer Kette überflüssig. Durch eine neu konstruierte Einarmgabel wurde ein problemloser Reifenwechsel ermöglicht. Geschaltet wurde über eine per Gestänge betätigte Handschaltung mit drei Gängen. Die selbsttragende Karosserie wurde aus Stahlblech gepresst und war damit wesentlich stabiler als die üblichen Rohrrahmen der Motorräder und durch ein Blechschild wurde der Fahrer vor Schmutz und Spritzwasser geschützt. Auf dem Kotflügel war eine suchscheinwerferähnliche Lampe angebracht, die in Verbindung mit der olivgrünen Lackierung noch sehr an den Krieg erinnerte. Ein besonderer Vorteil war die zweigeteilte Felge, die einen problemlosen Wechsel der kleinen 8 Zoll Reifen ermöglichte. Durch zwei Ösen am Lenker konnte das Fahrzeug mit Hilfe eines Vorhängeschlosses effektiv gegen Diebstahl geschützt werden. Dieser von Corradino d’Ascanio entwickelte Prototyp lief damals unter dem Arbeitstitel <-MP 6, „Motoscooter 98“, benannt nach seinem Motor mit 98ccm Hubraum. Der MP 6 wurde im Oktober 1945 fertig gestellt. Die besondere Form war es, die Enrico Piaggio auf die Idee brachte, den Motoscooter 98 „Vespa“ zu nennen, da sie eine auffallende Ähnlichkeit mit einer Wespe hat. So wurde „sie“ dann als Vespa 98 noch bis ins Jahr 1948 verkauft. Das Interesse an dem neuen Fahrzeug nahm rasch zu und unterstützt durch gut geplante Werbefeldzüge stiegen die Produktionszahlen von 1946 mit 2484 Stück 1947 auf 10535. Bereits 1947 wurde der Motor der V.98auf 125ccm erweitert, um etwas mehr Leistung zu verschaffen. Mit dieser Erweiterung begann dann 1947 der Export in die Nachbarländer. 194 kam das Erfolgsmodell Vespa 125 auf den Markt. Der Motor mit mehr Hubraum und mehr Leistung verbrauchte 2 Liter Gemisch auf 100km. Damit besaß die neue Vespa einen Aktionsradius von 250km, da sie 5 Liter Tank hatte. An der Karosserie wurde die Motorabdeckung geändert und die Aufhängung wanderte auf die linke Seite. Für dieses Modell gab es einen Gepäckträger zum Transport von Gegenständen. Ein Reserverad und ein Soziuskissen konnten auch montiert werden. Die Vespa 125 wurde zwischen den Jahren 1948 und 1950 mit den Seriennummern V1T- V15T gebaut. Die vielen bereits in Italien bestehenden Vespaclubs hatten sich zum Vespaclub von Italien zusammengeschlossen. Sternfahrten oder Miss-Vespa-Wahlen wurden durchgeführt. Aber auch Vespa Rennen kamen in Mode. Piaggio trat im Weltrekordduell gegen seinen Konkurrenten Lambretta mit einer stromlinienverkleideten Vespa in Montlhéry an und konnte gewinnen. Die Vespa 125 läuft ab 1950 unter den Nummern V30T- V33T. Damit bekommt sie eine verbesserte hydraulische Dämpfung und statt der Gestängeschaltung eine, die per Bowdenzug betätigt wird. Das Soziuskissen wird Serie und das Rücklicht wird verändert. In den folgenden Jahren steigen die Produktionszahlen rapide. 1953 lief die 500.000. Vespa vom Band und bereits drei Jahre später, am 26. April 1956, die Millionste. 1952 wurde der Vespa-Club von Deutschland gegründet und bildet von nun an den Dachverband. Ein Jahr später gibt es zwei neue Modelle, die Vespa 53 und die 53 U. Die „U“ Version „utilitaria“ ist die etwas abgespeckte Version mit vereinfachter Karosserie und weniger Leistung, um sie billiger anbieten zu können. Im nächsten Jahr bringt Piaggio ein völlig neues Modell heraus, die VL 150. Bedingt durch die Straßenverkehrsordnung wanderte der Scheinwerfer vom Kotflügel hoch an den Lenker. Diese Position wurde bis heute beibehalten. In diesem neuen Modell wird erstmals ein neuer 150 ccm Motor verwendet und die vorher bei dem 53er Modell eingeführte Motorabdeckung mit waagerechten Lüftungsschlitzen findet Verwendung. 1955 ist ein wichtiges Datum in der Geschichte der Vespa. In diesem Jahr wird das legendäre Erfolgsmodell GS 150 eingeführt. GS steht für „gran sport“, und diese Bezeichnung spiegelt sich in der Leistung von 8 PS bei 7500 Touren wieder, während das Vorgängermodell 5,5 PS hatte. Die Leistung reichte aus um die GS, erstmals mit 10 Zoll Reifen ausgestattet, auf magische 100km/h zu bringen. Das war ein satter Geschwindigkeitszuwachs von 25km/h. Während die GS/1 und /2 noch die Bowdenzüge außerhalb des neu gestalteten Lenkers haben, sind sie bei der letzten Entwicklungsstufe GS/3 schon vollständig im Lenker verschwunden. Mit Einführung der 150 GL (Grand Luxe) im Jahre 1957 geht Piaggio einen weiteren Schritt in der Entwicklung, denn die Gl wird später weiterentwickelt und bildet die Basis für das Erfolgsmodell 150 Sprint. Der Motor der GS Nachfolger wurde etwas gezähmt, da die Leistung doch etwas stark war. Mit der GL ändert sich auch die Form der Vespa, sie wird schlanker. Die folgenden Überarbeitungen betrafen hauptsächlich die 125er und 150er Modelle, wobei ein entscheidender Schritt die Reduzierung des Ölverbrauchs war. 1962 kommt die GS/4 160 auf den Markt, welche für Deutschland neuerdings mit Blinkern ausgerüstet wurde. Als dann 1963 Piaggio den Verkauf der Modelle mit den kleinen Rahmen startet, landen sie wieder einen Volltreffer. Dieses Modell, die Vespa 50, welche auch mit 90 und später 125 Kubik erhältlich war, war in seiner 50 Kubikversion speziell auf die Jugend ausgelegt, die sie bereits mit 16 Jahren fahren durfte. Selbst heute sind sie noch recht häufig im Straßenverkehr anzutreffen und werden als Lizenzbauten weiterhin produziert. Die 180 Super Sport löst die GS 160 ab und 1965 entwickelt der legendäre Ingenieur und Schöpfer der Vespa, Corradino d’Ascanio sein letztes Modell. Das war die Vespa Super Sprint, die es mit 50 und 90 Kubik gab. Heute ist das Sondermodell mit dem tankähnlichen Werkzeugfach und Reserverad im Fußraum eines der gesuchtesten und teuersten Modelle überhaupt. Die 125 Kubik Variante der „kleinen Rahmen Modelle“ wird ab 1967 „Primavera“ genannt, damit es keine Verwechselungen mit dem Ur- Modell der vierziger Jahre gibt. Wie oben schon erwähnt, löst die Vespa 150 Sprint im gleichen Jahr die GL ab und geht mit ihrem neuen, kantigeren Design einen weiteren Schritt mit dem Trend. Ab 1968 übernimmt die Rally 180 die Rolle der letzten Vertreterin der beliebten GS Baureihe, die mit diesem Modell ihr Ende findet. Von der 180 Rally gibt es auch eine 200 Kubik Version, welche mit ihrem bullig wirkendem Lenker und ihrer Lackierung, meist in Orangetönen, voll den Geist der Zeit in den 80ern treffen soll. Die Vespa 50 wird ebenfalls überarbeitet und ab 1969 in der Variante „50 Special“ mit eckigem Scheinwerfer und mehr Leistung verkauft. Während in der Zwischenzeit etliche Varianten der bestehenden Modelle kommen und verschwinden, versucht Piaggio mit der Einführung der „nuova linea“, der Vespa PX, einen weiteren Volltreffer zu landen. Mittlerweile bewegte sich der Trend eher vom Roller weg, aber das änderte sich mit der PX. Dieses völlig neue Modell, technisch wesentlich komfortabler, besitzt eine komplett neue Karosserie, vierfach Blinkanlage und später Getrenntschmierung. In ihrer Laufbahn gab es die PX mit 80, 125, 150 und 200 ccm Hubraum. Der Motor basiert auf einer Weiterentwicklung der Vorgänger und wurde sogar mit E- Starter produziert. Parallel zur PX kam in den 80er Jahren die kleinere PK hinzu, die den Vorgänger Vespa 50 und in der Version PK 125 die Primavera ersetzte. Die PK wird genau wie die PX weiterentwickelt und endet in der Version PK XL2 am Anfang der 90er Jahre. Die PX wurde bis 2003 gebaut, zuletzt mit Scheibenbremse vorne, dann eingestellt und angeblich soll die Produktion dieses Jahr wieder aufgenommen werden, weil es ganz ohne klassische Modelle nicht geht.

 

Hier endet die Geschichte der Vespa, denn Piaggio wendet sich von ihr ab und konzentriert sich mit Ausnahme der PX nur noch auf die Produktion der Automatikroller. Über die in den 90ern gebaute Cosa streiten sich die Geister, ob sie schon Plastik oder noch Vespa ist. Von Piaggio werden zwar noch Retro- Vespas produziert, die aber nicht mehr die Charakteristiken aufweisen, die der 1981 gestorbene Corradino d’Ascanio geltend gemacht hat. Der heute Verlauf des Trends zeigt sich stärker denn je der Vespa zugeneigt, denn viele entdecken in ihr ein Fahrzeug, welches man nicht einfach nur fährt, sondern damit einen Teil Geschichte bewegt.

 

 

Der Text wurde von mir als Grundlage für meine Facharbeit Stufe 12 im Fach Italienisch geschrieben.

 

Quellen hierzu:

 

Lutz-Ulrich-Kubisch: Vespa mi'amore, Schrader Verlag
Rolf Rau: Vespa, Heel Verlag
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/MussoliniBenito/